Zwischen Traum und Wirklichkeit

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eine Kritik zu Kissing Candice

Die erste und letzte Szene in „Kissing Candice“ sind fast identisch: Candice sitzt mit einem jungen Mann im Auto, man sieht Straßenlaternen, die hinten am Horizont verschwimmen. Der einzige Unterschied ist der Farbton der Szene - während der Anfang in einem satten und warmen Rotton zu sehen ist, ist das Ende dunkel und kalt.

In „Kissing Candice“ geht es um die 17-jährige Candice, die in einer Kleinstadt in Nordirland lebt. Durch ihre Epilepsie bedingt bekommt Candice immer wieder Anfälle, bei denen sie immer von dem gleichen Jungen träumt. Allerdings spielt die Krankheit im Film keine relativ große Rolle, es geht viel mehr um das Entfliehen Candices aus der Wirklichkeit. Denn auch wenn der vermeintliche Junge aus ihren Träumen plötzlich auch im echten Leben auftaucht, projiziert sie die Situationen ihrer Träume nur auf die Wirklichkeit.

Die Regisseurin Aoife McArdle, die vor ihrem Debütfilm auch an der Produktion von Musikvideos beteiligt war, gestaltet auch „Kissing Candice“ sehr künstlerisch. Währenddessen Candice Traumszenen in dem erwähnten vollen Rot zu sehen sind, sind die Szenen des echten Lebens sehr dunkel und kalt. Im Kontrast dazu werden zwischendurch außerdem immer wieder Nahaufnahmen der Natur in satten Farben gezeigt, was den Alltag der Jugendlichen in der Kleinstadt noch kahler erscheinen lässt. Auch die Musik passt sehr zu der künstlerischen Machart, die dumpfen Bässe, die in den Alltagsszenen zu hören sind, werden in jedem von Candice Träumen auf einmal ganz klar.

„Kissing Candice“ porträtiert das Leben von aufwachsenden, die gelangweilt sind von ihrem täglichen Leben und verschiedene Wege gewählt haben, um der Stille und Eintönigkeit des Ortes zu entkommen. Während sich Candice auf ihre Traumwelt stürzt sorgt eine Bande von jungen Männern dauerhaft für Aufruhr in der Kleinstadt, sie zerschmeißen Fenster, stehlen, entführen Bürger. Und auch wenn beide Arten unterschiedlicher nicht sein könnten sind es nur doch beides Versuche etwas Spannung oder Reiz in ihrem Leben zu haben.

Die Darsteller der Figuren schaffen es diese Gefühle der Ziellosigkeit zu verkörpern, und vor allem Ann Skelly bringt die Distanz und Ferne von Candice zu ihrem Umfeld sehr sehenswert auf die Leinwand.

Auch wenn der Film mit seiner Thematik von Jugendlichen, die durch Langeweile und einen problematischen Hintergrund einen „falschen“ Weg einschlagen, sicherlich eine wichtige Aussage hat, fragt man sich während des Filmes oft nach der Bedeutung von einzelnen Szenen. Durch das Spiel mit den Farben und auch vielen interessanten Einstellungen ist der Film phasenweise sehr schön mit anzusehen, allerdings hat er mit seinen knapp 100 Minuten auch sein Längen und viele Szenen, die nicht komplett verständlich sind.

„Kissing Candice“ ist keinesfalls ein schlechter Film und auch im Publikum gab es viele, die sehr begeistert waren und grade die „Genialität“ künstlerische Machart im Gespräch hervorgehoben haben. Für mich wird es aber wohl einer dieser Berlinalefilme sein, die es jedes Jahr gibt - die beim Schauen etwas komisch, anstrengend und nicht ganz verständlich sind, aber trotzdem eine starke Aussage haben und in ihrer eigenen Art sehr überzeugend sind.

22.02.2018, Clara Bahrs



Dream and Reality


The first and last scene in "Kissing Candice" are the same: Candice is sitting in the car with a young man, you can see street lamps blurring at the back of the horizon. The only difference is the color of the scene - while the beginning is shown in a rich and warm red, the end is dark and cold.

"Kissing Candice" is about 17-year-old Candice, who lives in a small town in Northern Ireland. Due to her epilepsy, Candice gets seizures sometimes, in which she always dreams of the same boy. But the epilepsy actually isn't that important for the film, it's much more about Candice escaping from reality. Even if boy from her dreams suddenly appears in real life, she only projects the situations of her dreams onto reality.

The director Aoife McArdle, who was also involved in the production of music videos before her debut film, also did "Kissing Candice" very artistically. While Candice dream scenes can be seen in the above-mentioned full red, the scenes of real life are very dark and cold. In contrast to this, also close-ups of nature are often shown in rich colours, which makes the young people's everyday life in the small town seem even more bleak. The music is also very much in tune with the artistic style, the dull basses that can be heard in everyday scenes become clear in every one of Candice's dreams.

"Kissing Candice" shows the life of young people who are bored of their daily life and have chosen different ways to escape the silence and monotony of the place. While Candice rushes into her dream world, a gang of young men cause permanent turmoil in the small town - drinking, smashing windows, stealing, abducting people. And even if both could not be more different, they just want to escape from reality.

The actors play the aimlessness very well and especially Ann Skelly brings the distance from Candice the the world very convincingly on the screen. Even if the film with its theme of young people who, due to boredom and a problematic background, have taken a "wrong" way has an important message, there some scenes you don't really unterstand the meaning. Due to the interplay with the colours and many interesting settings the film is very nice to watch, but with its almost 100 minutes it also has its lengths and many scenes which are not completely understandable.

"Kissing Candice" isn't a bad film and there were also many people in the audience who were pretty impressed and have emphasized the genius of artistic creation in conversation. For me, however, it is one of those Berlinale films that you can find every year - which are a bit strange and unintelligible while watching them, but still have a strong message and are convincing in their own way.

22.02.2018, Clara Bahrs

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